Die Aargauer SSO-Zahnärzte raten: Kieferknacken

26. Januar 2016
Prof. Dr. med. dent. Kurt Jäger

Viele Menschen leiden an einem hörbaren Gelenkknacken im Kieferbereich. Das Essen kann nicht mehr genossen werden, es stört den Tischnachbarn und vor allem einen selbst.

Unter- und Oberkiefer sind durch ein sehr kompliziertes Gelenk miteinander verbunden. Die Unterkieferwalze fasst, zusammen mit einer Gelenkscheibe (Discus), in die Gelenkgrube am Schädel. In die dichte Kapsel des Gelenks führen Nerven, Gefässe, Sehnenfasern und Muskeln. Doch das ist nicht alles: Das linke und das rechte Gelenk, die auch unabhängig voneinander funktionieren würden, sind über den Unterkiefer miteinander verbunden. Das sorgt für Probleme!

Für das Gelenkknacken ist der Discus verantwortlich. Auf einer Seite mit elastischen Fasern am Schädel befestigt, ziehen diese den Discus beim Schliessen des Mundes passiv an seine Position zurück. Auf der anderen Seite hingegen ziehen Kaumuskeln die Gelenkscheibe beim Mundöffnen aktiv nach vorne. Ziehen nun diese Kaumuskeln links und rechts nicht synchron, kommt es zu falschen Bewegungsabläufen und damit zu einer Funktionsstörung. Auch erschlaffte elastische Rückzugsfasern können eine Ursache sein.

Der Funktionsstörung liegt meist eine Muskelverspannung (Muskelhypertonus) zugrunde, verursacht durch Stress, Zähneknirschen im Schlaf oder Pressen. Ist der „Discusmuskel“ einmal verspannt und verkürzt, zieht er die Gelenkscheibe zu stark nach vorne, welche nun bei Kieferbewegungen auf das Gelenkköpfchen „hüpft“. Dieses Aufschnellen hört man als Knacken. Nach einer gewissen Zeit beginnt sich der Faserknorpel der Gelenkscheibe auszudehnen, wird dünner und länger und verliert seine ursprüngliche Form. Diese Veränderungen sind dauerhaft und heilen nicht mehr aus.

Es gibt aber noch weitere Ursachen für das Gelenkknacken: rheumatische Erkrankungen, generalisierte Arthritis oder Arthrosen, Unfallverletzungen des Kiefergelenks, Kieferfehlstellungen oder Entzündungsprozesse. Auch Fehlfunktionen des gesamten Skelettes können sich bis ins Kiefergelenk auswirken. Neben dem Knacken verspüren Patienten Bewegungsstörungen, Mundöffnungsstörungen, Schmerzen, Druck- und Krampfgefühle oder Ohrensausen (Tinnitus). Im Kanton Aargau wird vom Craniofacialen Zentrum der Klinik Hirslanden Aarau eine sogenannte „Kiefergelenksprechstunde“ angeboten.

Die Therapie beginnt mit einer gründlichen Untersuchung durch den Fach(zahn)arzt und ist diagnoseabhängig. Mit Physiotherapie, Entspannungstechniken und einer speziellen Zahnschiene versucht man den Muskelhypertonus zu reduzieren bzw. das Gelenk zu entlasten. Bildgebende Röntgenverfahren (MRI, CT) halten den Zerstörungsgrad des Gelenkes fest. Nützen konservative Massnahmen nichts und bestehen weiterhin starke Beschwerden, muss das beschädigte Kiefergelenk operativ behandelt werden. Mit Ausnahme der Zahnschiene werden die Kosten der Behandlung durch die Krankenkassen rückvergütet.